Stolpern über Geschichte: Die ersten Stolpersteine in Lörrach
29. September 2020

Stolpern über Geschichte

Geht man durch die Straßen von Lörrach, sieht man ohne Zweifel viele Facetten des Lebens: Freunde, die einander bei einem Treffen in die Arme fallen. Kinder lachen ausgelassen, die eine Hand um das schmelzende Eis und die andere Hand um die Finger der Mutter geschlossen. Erwachsene mit Aktenkoffern schlängeln sich hektisch zwischen den schlendernden Passanten hindurch und Erwachsene ohne Aktenkoffer genießen die letzten warmen Tage des Spätsommers.

Alle Wege führen nach Rom, doch auch viele durch Lörrach. Eines haben die Lörracher Wege gemeinsam: Den gepflasterten Boden in variierenden Grautönen. Heute hat sich das geändert. Inmitten von all dem Grau gibt es jetzt golden glänzende Steine: Stolpersteine.

In drei Straßen, der Teichstraße, der Luisenstraße und der Wallbrunnstraße, wurden sie heute von Gunter Demnig, einem Bildhauer, in den Steinboden eingelassen. Gunter Demnig war es auch, der 1993 das Konzept für die Stolpersteine entwarf und seither in insgesamt 27 Ländern über 75.000 Stolpersteine verlegt hat. Acht von ihnen bereichern nun die Stadt Lörrach, wobei wir, die Klasse J2a, einige Worte zu dem Stolperstein sagen durften, der Heinz Leible gewidmet ist.

Unsere Geschichtslehrerin, Frau Harnisch, überraschte uns eine Woche vor der Verlegung mit der einzigartigen Möglichkeit, etwas zu diesem historischen Event beizutragen. Wir recherchierten mit der Hilfe von Herrn Hoffmann, einem Stolperstein-Enthusiasten, über Heinz Leible, einen Mann, der aufgrund von Homosexualität verhaftet und verurteilt wurde. Ob er wirklich homosexuell gewesen ist, ist unklar, da damals Umarmungen oder bestimmte Blicke schon reichten, um als schwul abgestempelt zu werden. Nach einem 10-monatigem Gefängnisaufenthalt kam Leible ins KZ Dachau und später ins KZ Mauthausen, von wo aus er zahlreiche Briefe an seine Familie schrieb.

Auf der Grundlage dieser Briefe und anderer Hintergrundinformationen, die uns Herr Hofmann zur Verfügung stellte, entstand schließlich ein Text über und für Heinz Leible, der von Henrie Kaufmann, Jan Schumacher und Sarah Brakemeier am späten Vormittag in der Wallbrunnstraße vorgetragen wurde. Die Stimmung vor Ort war, anders als erwartet, nicht bedrückt, sondern feierlich ernst auf eine fast frohe Weise.

Deutlich spürte man die Freude über die Stolpersteine, gepaart mit dem Bewusstsein für die Wichtigkeit ihrer Bedeutung und der Erinnerung an die grausamen Taten der Nationalsozialisten. Zahlreiche Bürger Lörrachs hatten sich eingefunden, darunter auch die Verwandten derer, deren gravierte Namen den Stolpersteinen ihren Sinn einhauchen.

Passanten blieben stehen und wohnten der Veranstaltung bei, legten Rosen um die goldenen Pflastersteine und klatschten andächtig Beifall nach Reden oder Musikstücken. Wir alle sind dankbar, so den Opfern der Nationalsozialisten zu gedenken und wenigstens einige von deren Namen für immer an einem goldenen Glänzen in einem grauen Meer zu erinnern.

Michelle Franke, J2a

Wir bedanken uns recht herzlich bei der Initiative für Stolpersteine in Lörrach, insbesondere ihrem Vorsitzenden Dr. Markus Hofmann für die Bereitstellung der Fotos.von der Veranstaltung.